Fachbeitrag
Prozessmanagement als Grundlage für Digitalisierungsvorhaben der öffentlichen Hand

 

Gesetzliche Vorgaben und der demografische Wandel zwingen zum Handeln

Die Behörden der Bundesrepublik Deutschland stehen vor einer Mammutaufgabe. Zunächst sind sie durch das Online-Zugangsgesetz (OZG) dazu verpflichtet, Verwaltungsleistungen (für Bürger) bis zum Jahr 2022 auch online anzubieten. Zusätzlich sollen Bürger „über drei Klicks“ unabhängig von ihrem jeweiligen Standort oder Portal und der zuständigen Behörde an die gewünschte Verwaltungsleistung gelangen (single-sign-on und Portalverbund). Der IT-Planungsrat hat insgesamt 575 solcher nach Lebenslagen sortierten Verwaltungsleistungen mit jeweils ca. 2-3 Unterleistungen identifiziert, die im Sinne des OZG von den Behörden online zur Verfügung gestellt werden müssen. Der Aufwand wird sich letztlich von Behörde zu Behörde unterscheiden, ist aber insbesondere aufgrund des zeitlichen Drucks nicht unerheblich.

Darüber hinaus verlangt das E-Government Gesetz (EGovG) in seinen unterschiedlichen For­mulierungen der Länder, z.B. Nordrhein-Westfalen und Berlin unter anderem die Einführung der E-Akte (bis zum Jahr 2022 bzw. 2023) und die elektronische Vorgangsbearbeitung bei jeglichen Verwaltungsabläufen (behördeninterne Arbeitsvorgänge). Sinnvollerweise haben die Gesetz­geber bedacht, dass vor der Einführung der elektronischen Vorgangsbearbeitung die Be­hörden der Länder die Verwaltungsabläufe dokumentieren, analysieren und optimieren sollen.

Die genaue Betrachtung und Verbesserung der aktuellen Arbeitsweise ist auch bei der Digitalisierung von Verwaltungsverfahren mit Bürgerbeteiligung und der Einführung der E-Akte eine sinnvolle Vorgehensweise. Die Dokumentation und Optimierung aller durch das OZG und EGovG betroffenen Prozesse ist somit eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Gesetze, da ohne einen vollständigen, aktuellen und fortschreibungsfähigen Überblick über die eigentlichen Arbeitsabläufe jegliche Digitalisierungsanstrengungen erschwert und schlechte Ergebnisse erzielen werden. Um es lapidar zu sagen „digitaler Unsinn bleibt Unsinn“. Die zumindest partielle Einführung von Prozessmanagement ist somit eine weitere Aufgabe, der sich Behörden aktuell stellen oder in den nächsten Jahren stellen werden.

Die Herausforderungen sollten als Chance verstanden werden.

Prozessmanagement kann zudem bei einer weiteren Herausforderung helfen: von jeher haben Verwaltungen mit Know-how-Verlust zu kämpfen, wenn es auf einer Stelle zu einem personellen Wechsel kommt. Entweder, weil der Arbeitsmarkt nicht schnell genug eine/n geeignete/n Bewerber/in bietet und/oder weil der Prozess der Personalbeschaffung nicht in der gewünschten Zeit zu einer Stellenwiederbesetzung führt. Wenn der Nachfolger seinen Vorgänger nicht persönlich kennenlernt, kann weder Prozess- noch Erfahrungswissen best­möglich weitergegeben werden. Diese Problematik wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, wenn eine große Anzahl von Behördenmitarbeitern der Babyboomer-Generation pensioniert werden bzw. in Rente gehen. Die umfassende Dokumentation der Verwaltungs­abläufe hat deshalb auch für den Know-how Transfer und das Wissensmanagement der Behörde eine herausragende Funktion.

Statt eines partiellen Einsatzes sollten Behörden den gesetzlichen und demografischen Druck nutzen, um flächendeckend Prozessmanagement im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungs­prozesses einzuführen. Da dies allerdings keine einfache Maßnahme ist, wird eine systematisch geplante und strukturierte Vorgehensweise bei der Einführung und Weiter­entwicklung von Prozessmanagement empfohlen.

Wie sollte bei der systematischen Einführung von Prozessmanagement vorgegangen werden?

Vor der eigentlichen Erhebung muss sich eine Behörde zunächst einen Überblick verschaffen, welche Prozesse bei ihr ablaufen (Identifikation). Dieser Schritt ist selten trivial, da Behörden häufig an mehreren hundert und in manchen Fällen über tausend unterschiedlichen Prozessen beteiligt sind.

Im zweiten Schritt werden die Prozesse priorisiert. Grundlage der Priorisierung (Mit welchem Prozess starten wir? Welcher kommt danach?), können verschiedene Kriterien sein, z. B. Mehrwert für die Nutzer, Wirtschaftlichkeitssteigerung bei der Erbringung, Risikovermeidung, Reichweite, etc. Bereits an dieser Stelle ist es wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses zu beteiligen. Zum einen sollten ihnen die Vorteile von Digitalisierungsvorhaben und von Prozessmanagement vermittelt werden und zum anderen gilt es, die Ideen der Beschäftigten zu nutzen.

Im Anschluss werden die priorisierten Prozesse im Rahmen von Workshops und Interviews erhoben und der Ist-Zustand modelliert. In jedem Fall sollten bei der Modellierung landes- oder behördeneinheitliche Standards eingeführt bzw. beachtet werden. Mit Hilfe der prozess-beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Schwachstellen in den Arbeitsabläufen identifiziert und Soll-Prozesse hergeleitet, die insbesondere die rechtlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns berück­sichtigen. Es sollten zudem frühzeitig externe Prozessbeteiligte (Bürger und Unternehmen) involviert werden, um den Servicegedanken des Verwaltungs­handelns zu stärken.

Zudem können Digitalisierungsexperten mit einbezogen werden, die sich mit den Möglich­keiten beim Einsatz von modernen IT-Systemen auskennen. Berater der AIOS GmbH können in diesem und weiteren Projektabschnitten mit ihrer Erfahrung in Koordination und eigenständiger Ausführung von Arbeitspaketen dabei helfen das Projekt zum Erfolg zu führen.

Im Anschluss werden die Prozesse optimiert und Digitalisierungsvorhaben durch die Aus­schreibung und Einführung von IT-Systemen umgesetzt. Die Auswirkungen der Prozess­optimierung müssen anschließend daraufhin kontrolliert werden, ob die damit beabsichtigten Wirkungen tatsächlich in der Verwaltungspraxis eintreten. Dort, wo das nicht der Fall ist, müssen die Ursachen ermittelt und die Prozessabläufe nachgesteuert werden.

Nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden diese große Herausforderung als Chance wahr ihre Arbeitsweisen auf kontinuierliche Weise regelmäßig zu hinterfragen und anzupassen, werden sich die Behörden längerfristig zu serviceorientierten Dienstleistern ihrer Kunden, den Bürgern und Unternehmen des Landes, entwickeln.

 

Ansprechpartner:

Dr. Christian Loersch, Geschäftsbereichsleiter OPB

Christian.Loersch@aios.de